Konzert

Es gibt nichts Gutes …. außer ….

Die SINGING SUES tun Gutes

Benefizkonzert zu Gunsten obdach- und wohnungsloser Menschen in Hamburg

Wir alle sehen sie: Menschen, die in Straßenecken sitzen, unter Brücken, oft apathisch, oft auch mit einem Hund an ihrer Seite, der etwas Wärme und Zuneigung gibt. Menschen, die durch die U-Bahn streifen, um etwas Geld bitten. Menschen, die sich in Gruppen gemeinsam mit Alkohol betäuben. Uns ist unwohl bei diesen Anblicken, manchmal geben wir ihren Bitten nach, aber es sind Viele.

Der Hamburger Chor SINGING SUES möchte helfen. Gefördert von der Benno und Inge Behrens-Stiftung veranstaltet er unter der Leitung von Suely Lauar ein Benefizkonzert, dessen Netto-Ticketeinnahmen zu 100% an die Magazinverkäufer*innen von Hinz&Kunzt gehen. Aber das ist nicht das einzige Gute: Wir, die Konzertbesucher, können mitsingen. Klar, dass die Altonaer Kulturkirche da ausverkauft ist. Und das Publikum ist wirklich bunt gemischt: Eltern mit kleinen Kindern, Jugendliche, die Oma und der Opa, sangesfreudige MusikliebhaberInnen, alle sind gekommen. Diese Mitsingkonzerte der SINGING SUES sind bekannt und beliebt. Ob wir zu Shanties schunkeln oder uns das richtige Weihnachtsgefühl holen, oder eben quer Beet singen wie heute, Lieder, die wir alle kennen – Suely Lauar leistet mit ihrem brasilianischen Temperament ganze Arbeit, und so machen die fast 50 SängerInnen ein Konzert mit ihrem Schwung und ihrer Fröhlichkeit immer zu einem besonderen Erlebnis. Suely Lauar hat viele Chöre geleitet und tut das heute noch. So z.B. ist sie Chorleiterin und Dozentin an der Musical Akademie für Teens (MAT), einem Zweig der Jugendmusikschule Hamburg, sie ist Leiterin des Chors der Eltern und Freunde der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule, und sie arbeitete viele Jahre lang als Gesangscoach bei ‚Der König der Löwen‘.

Die Vorfreude ist groß und die Stimmung gut, als uns Reiner Schäfer als Geschäftsführer der Kulturkirche Altona begrüßt und auf die Zusammenarbeit mit der Behrens-Stiftung hinweist, in deren Vorstand er Mitglied ist. Michael Edele ist innerhalb der Behrensstiftung für den Bereich Soziale Wohnraumversorgung zuständig und konnte als Chormitglied den Kontakt knüpfen. Auch er begrüßt uns herzlich, aber – die Musik ruft, und so leitet er schnell über zur Chorleiterin und ihren Chor.

Gekleidet in bunten Oberteilen – gelb, orange, grün, blau, alle Farben sind dabei – geben die SängerInnen ein fröhliches Bild! Auf einer Leinwand werden das Lied und der jeweilige Songtext angezeigt. Jedoch Vorsicht: Nur bei rot dürfen wir singen. Erscheint eine blaue Farbe, können wir uns zurücklehnen und genießen. Und vorsichtshalber ist dann auch kein Text angezeigt, damit im Rausch der Musik nicht doch einige Zuschauer ihre Stimme erproben.

Aber jetzt: Mit ‚California dreaming‘ beginnt der Chortraum. Die Chorleiterin begleitet, wie durch das ganze Konzert, am Flügel, Felipe Grandi sorgt am Schlagzeug für den Rhythmus. Nur kurz singen wir zögerlich, aber diesen Song, den jeder kennt, wer kann sich da der Musik entziehen? Der Bann ist schnell gebrochen. Besinnlich geht es weiter: Bei ‚Als ich fortging‘ träumen wir, bis die Frauenstimmen im Chor den Song zart ausklingen lassen.

Nun dürfen wir schweigen und zuhören: Ein Medley aus dem Musical ‚Phantom der Oper‘ erklingt. Dazu sehen wir auf der Leinwand passende Fotos. Die berühmte Maske, geheimnisvolle Kerzen, große Kronleuchter – magische Momente. Wehmütig geht es weiter: Bei ‚I am sailing‘ sind wir wieder alle gefragt. Unsere Gedanken segeln beseelt durch das Kirchenschiff. Das folgende ‚Dona Dona’ wurde 1940 von Sholom Secunda komponiert, der jiddische Text stammt von Aaron Zeitlin und spielt in einem Gleichnis auf den Transport von Menschen in Konzentrationslager an. 1960 folgte die englischsprachige Version, die wir heute ruhig und schlicht zusammen singen. Cordula aus dem Chor begleitet am Kontrabass.

Achtung, jetzt ist die Farbe wieder blau: ‚Savage daugther‘ dürfen wir hören. Britta aus dem Alt singt den Solopart, und wir glauben ihr die Wildheit und den Eigensinn. In den letzten Takten steht Suely Lauar auf, singt mit und unterstreicht mit großer Geste die Kraft der Frauen. Unsere Kraft: Alle jubeln! Weiter geht es mir der guten Laune: Bei ‚For the longest time‘ singen und schwingen alle mit. Zu ‚Mad world’ stellen sich die Männer und einzelne Frauen im Halbkreis vorne auf, es ist ihr gemeinsames Solo, natürlich mit uns.

Es wird wieder blau: ‚Northern Lights‘ von Ola Gjeilo erklingt im Chor. Dieses wunderbare Lied wird auch wunderbar gesungen. Es klingt geheimnisvoll, zart, wie aus weiter Ferne. Lange Töne, schlichte, fremde Melodien, passend dazu auf der Leinwand Bilder aus dem Norden, von Nordlichtern, in verschiedenen Farben, hinter Bergen, am Horizont des Meeres, im Himmel. Die letzten Töne werden vom Alt leise, leise ausgehaucht. Eine große Kunst und eine Freude für uns Zuhörer.

Bei einem Medley von Simon & Garfunkel können wir wieder mitsingen: ‚Sounds of silence‘ und ‚Bridge over troubled water‘ sind dazu perfekt geeignet. ‚Hello darkness, my old friend‘ träumen wir, und eigentlich sollte es nie enden. Und noch so ein Ohrwurm: Zu ‚Memory‘ verteilt sich der Chor bis in den Kirchraum, sitzt auch vorne auf den Stufen, schwelgt in schönen Erinnerungen, schunkelnd, dabei immer ein Lächeln im Gesicht. Tom spielt auf der Querflöte dazu, ihm gehört auch der letzte, leise, tiefe Ton.

Wir sind begeistert! In der Pause gibt es viel zu erzählen, und die Kehlen müssen wieder gefeuchtet werden. Beate Rump von der Kulturkirche Altona ruft uns alle wieder zusammen.

Dann hören wir Jörn Sturm, Geschäftsführer von Hinz und Kunzt. Er dankt der Behrens-Stiftung, spricht von einem Rundgang mit dem Chor zu den ‚Hamburger Nebenschauplätzen’, den Orten, wo sich Obdachlose in Hamburg aufhalten. Er vergegenwärtigt die Situation Obdachloser, spricht Situationen an, die wir uns nicht ausmalen können, bittet um Hilfe. Denn: ‚Wohnen ist ein Menschenrecht‘, daran erinnert er uns.

Nachdenklich geht es weiter. Mit dem ‚Agnus Dei‘ von Samuel Barber führt der Chor die Gedanken von Jörn Sturm aus. ‚Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt: erbarme dich unser‘. Der Chor singt das Lied wie ein Gebet. Wir sehen dazu auf der Leinwand Bilder des Schreckens: Bilder von Bränden, von Krieg und Zerstörung, unruhige Zeichnungen. Als letztes Bild jedoch ein Regenbogen: ‚Gib uns deinen Frieden‘. Andächtiges Schweigen geht  dem Applaus voraus.

Mit ‚From a distance‘ von Julie Gold folgt ein nachdenkliches Lied, das wir wieder mitsingen dürfen. Und wir tun es inbrünstig. Und dann ein Sehnsuchtslied aller Frauen: ‚Killing me softly‘. Wir träumen uns hinein in die Situation der Singenden, die sich erkannt fühlt vom Gesang dieses Fremden, dieses ‚young boy‘.

Blau ist angesagt: Der Chor singt Musik aus ‚Game of thrones‘. Die Bilder auf der Leinwand zeigen den Inhalt: Raubtiere, Feuer, eine Krone, Burgen, Heere, Schlachten, Rüstungen, geheimnisvolle Raben, Nebel. Der Chor setzt ausdrucksvoll um, was wir dort sehen. Bei ‚Streets of London / Blowing in the wind‘ singen wir natürlich wieder alle gerne mit, da brauchen wir auch keinen Text. Und bei ‚Fly me to the moon‘ kommen wir ins Schwingen, der Chor macht es uns vor und hat sichtlich Spaß bei diesem Song. Das kann aber noch gesteigert werden: Bei ‚Africa‘ treten die Männer vor und übernehmen die Führung. Es sind nicht viele, aber sie singen mit kräftiger Stimme, wir sind begeistert!

Zu dem folgenden Medley (Achtung: blau!) des Chores zu ‚Lion King‘ sehen wir Bilder von Tieren, die in Afrika leben: Löwen, Elefanten, Zebras, die sich durch die Wüsten, Savannen, Flusstäler bewegen. Männer und Frauen singen abwechselnd dazu. Und wir hören René in einem kurzen Solo.

Aber nun werden wir daran erinnert, wo wir gerade sind: In Hamburg! Da gibt es doch noch diese Shanties, Seemannslieder, die jeder hier kennt. Und einige davon singen wir nun inbrünstig. Zur Einstimmung: ‚Rum aus Jamaica‘. Hat der Chor da in der Pause auch von getrunken? Die SängerInnen torkeln sich gekonnt und überzeugend durch das Lied, und irgendwie fühlen wir uns auch ein bisschen … naja … Und auch dieses Lied ist sehr hamburgisch: ‚An de Eck steht ‘n Jung mit ’n Tüdelband’. Für Zugezogene: Matthias aus dem Chor übersetzt zunächst ins Hochdeutsche. Das macht er in seiner trockenen Art sehr lustig, und nun verstehen wir und können textlich auch gut mithalten. Zum Abschluss singen wir – allen voran Matthias mit dem Eingangssolo – das bekannte ‚Wellerman‘, und da ist der Rum ja auch wieder ein Thema.

Applaus, Applaus, Applaus! Blumensträuße, Dankesworte! Aber wir sind noch nicht zufrieden. Da fehlt doch was, da ist doch noch dieses eine Lied, das von der Reeperbahn. Und das bekommen wir auch, schwungvoll setzt der Chor an, und wir geben alles. Und dann noch das Abschiedslied: ‚In Hamburg sagt man tschüss‘. Noch einmal will der Applaus nicht enden, noch einmal hören und singen wir den ‚Wellerman‘. Dann sind wir zufrieden.

Und was machen wir nun mit dem angefangenen Abend? Ist doch klar, ist ja noch keine halb eins.

Wir hatten einen tollen Abend, und irgendwann in der Nacht gehen wir nach Hause. Vielleicht wandern unsere Gedanken zurück zu denen, die das nicht können. Es schwingt ein bisschen Wehmut mit, aber auch das Gefühl, Gutes getan zu haben, geholfen zu haben bei den Bemühungen der SINGING SUES und der Behrens-Stifung:

Ein Zuhause für alle.

Marlies Radtke

Fotos

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