Seemänner unter sich …..
Shanties in der Kulturkirche Altona
Die Kulturkirche Altona bietet am Sonntagnachmittag ein Programm zum Mitmachen, genauer gesagt zum Seemann sein, zum mit Segeln, mit Singen, Klatschen, Träumen, die Sehnsucht spüren, den Wind und das brausende Meer, die verlorene Liebe und die Reeperbahn … und welcher eingefleischte Hamburger kennt das nicht, das Übergehen in diesen anderen Zustand? Die Anwesenden sicher, die Kirche ist gut gefüllt.
Hierzu luden die ‚Singing Sues’ ein, und die fast 50 SängerInnen wissen, wie man ein Publikum zum Mitsingen bewegt. Eigentlich hat der Chor Vieles drauf. Bunt gemischt, in allen Altersklassen, singt er aus den Bereichen Rock Pop Jazz, Klassik, Musical, Film, kann unter dem Tannenbaum glänzen und eben ein Mitsingkonzert wie heute präsentieren: mit Shanties.
Initiatorin des Erfolgs ist Suely Lauar, sie gründete den Chor 2017. Hat da ihr Name Pate gestanden? Die singenden Sues? Über die Chorleitung hinaus ist sie Dozentin an der Jugendmusikschule Hamburg, Chefdirigentin des Chores der Staatsoper in Belo Horizonte, leitete den brasilianischen Chor Chorcovado und war am Johannes-Brahms-Konservatorium tätig. So viel Power überträgt sich natürlich auf die SängerInnen, die heute so schwungvoll das Publikum mitreißen können.
Ein kurzes Vorwort von Beate Rump von der Kulturkirche als Veranstalter, dann treten die SängerInnen auf. Und so wie die Bühne mit Schifffahrts- und Seemannsutensilien geschmückt ist, sieht man ihnen auch an, worum es heute geht. Blau-weiß gestreift, hier und da rote Halstücher, da stehen Matrosen vor uns, ganz sicher. Passend dazu ist Suely Lauar gekleidet: Als ihr Kapitän, und ihr Steuer ist heute der Flügel.
Und los geht die Fahrt. Auf einer Leinwand wird uns jedes neue Lied angekündigt, und die Texte dazu können wir darauf lesen.
‚Hallo, hier ist Hamburg‘ klingt es uns entgegen. Ja, unverkennbar! Beim ‚Golf von Biskaya‘ ist der Bann schon gebrochen. Der Chor singt so sichtbar begeistert, schunkelt, zeigt uns die Sterne bei ‚Seemann, lass das Träumen‘, leidet mit bei ‚La Paloma‘, und wir alle tun es ihm nach, singen aus vollen Herzen mit. ‚Heut geht es an Bord‘ und natürlich ‚Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern‘, und uns auch nicht, hört man deutlich.
Nun wird es ausländisch: mit ‚Anchors awaigh‘ und ‚An der Eck steht’n Jung mit’m Tüdelband‘. Und für dieses Lied bekommen Zugezogene, damit sie auch wissen, wovon sie singen, die Übersetzung gleich mitgeliefert. Matthias erklärt uns die Begriffe ‚Kantsteen‘ ‚Tüdelband‘ und ‚Eierkorf‘, und wir erfahren, dass nur die Hamburger Jungs und Deerns Äppel klaun können. Passend dazu winken einige SängerInnen beim Singen fröhlich mit Äpfeln. Vor der Pause singen und klatschen wir noch zu ‚Über uns der blaue Himmel‘ und besonders laut bei ‚Nimm mich mit, Kapitän auf die Reise‘. Das hat dieser fröhliche Chor schon längst getan.
Von hinten ziehen die SängerInnen summend ein. ‚Vem kan segla förutan vind‘ (Wer kann ohne Wind segeln) heißt das schöne, ruhige, schwedische Seemannslied, dem wir andächtig lauschen. Aber nicht lange! Bei ‚Rum aus Jamaica‘ schunkeln und singen wir schon wieder mit, der Chor schwingt die Rumflaschen, und …. haben sie davon getrunken? Passend dazu etwas Melancholisches: ‚Alo alé‘ singen wir und fühlen mit allen Matrosen und ihren Liebchen. Jedoch … das Leben geht weiter, und wir besuchen die Reeperbahn, natürlich nachts um halb eins, und egal ob mit Mädel oder Karl Heinz, da kommt wieder Stimmung auf!
Nun kommt die Zeit der Solisten: ‚Junge, komm bald wieder‘ seufzen wir mit der Mutter, und Tom singt ruhig und mit tiefer Stimme seine Geschichte. Applaus Applaus! Dazu passt das folgende ‚I am sailing‘, das wir andächtig mitsingen. ‚Einmal noch nach Bombay‘ wünscht sich nun Andreas wehmütig, und wir wünschen uns das irgendwie auch. Lustig geht es weiter, mit der Geschichte eines Matrosen, der sein Mädchen Jahr um Jahr mit ‚Ich bin bald wieder hier’ vertröstet. Die arme Deern! Und weil nun die Männer das Steuer übernehmen, setzten sich die Deerns auf die Stufen und klatschen mit. Matthias übernimmt das Solo bei ‚The wellerman‘, und das tut er schwungvoll und mit einem Augenzwinkern. Solisten aus den eigenen Reihen sind immer ein Gewinn. Bravo!
Aber nicht nur der Norden unserer Republik kennt Seemannslieder. Suely Lauar ist Brasilianerin und weiß davon ein Lied zu singen. Es heißt ‚Marinheiro Só‘, übersetzt ‚einsamer Seemann‘, und sie übt den Refrain mit Hilfe der Gitarre und ihrer ganzen Power mit uns ein. Erst langsam, dann mit brasilianischem Tempo, und zum Schluß kann man den brasilianischen Rhythmus erkennen!
Der Abschied naht, und wie sagt man hier? ‚In Hamburg sagt man tschüss‘, wissen und singen wir alle. Die SängerInnen verlassen singend und winkend die Bühne. Aber sie kommen noch einmal zurück! Alle Mitwirkenden werden geehrt, die Solisten, der großartige Drummer, der ebenfalls mit brasilianischem Temperament gesegnet ist, die Chorleiterin, die den Flügel so wunderbar beherrscht, auch die im Hintergrund tätigen, die für das schöne Bühnenbild gesorgt haben oder Ähnliches. Und natürlich bekommen wir noch eine Zugabe. Es ist zwar noch nicht so spät, aber wir machen uns schon mal auf … ohne unser Mädel und Karl Heinz …. auf die Reeperbahn …. nachts um halb eins.
Was für eine schöne Reise! Schweren Herzens lassen wir den Chor ziehen. Aber der Montag, der Alltag, der kann kommen, wir sind bereit!
Marlies Radtke