Konzert

Wer möchte da im Himmel sein?

Musik voller Begeisterung – von Senioren für Alle

Was für ein Fest wird dem Publikum geboten, als am 27. April der ‚Heaven can wait Chor‘ im St. Pauli Theater singt und tanzt, Komödiantisches mit Augenzwinkern vorträgt ebenso wie ernste Themen berührt.

Der Chor feiert mit diesem Konzert sein 10jähriges Jubiläum. Nicht Jeder darf hier mitmachen. Die SängerInnen müssen das 70. Lebensjahr vollendet haben, ab dann gibt es kein Halten mehr. So ist die älteste Sängerin 97 Jahre alt. Ein echtes Kontrastprogramm zur den vielen Chören, die alterstechnisch nach oben Grenzen setzen. Und ein sehr erfolgreiches dazu! Unter der Leitung von Jan-Christof Scheibe werden alte und neue Songs von ihm und dem Chor gestaltet und interpretiert. Die Begleitung übernehmen 4 Profimusiker in wechselnder Besetzung. Wie schon so oft findet das Konzert im St. Pauli Theater statt.

Und los geht’s: Swingend und tanzend betreten die ca. 40 Akteure die Bühne, alle in Rottöne gekleidet. Es sind verrückte Outfits darunter, ein tolles Bild! ‚Gekommen um zu bleiben‘ ist die Verheißung für die nächsten zwei Stunden und die nächsten 10 Jahre – mindestens. ‚Applaus Applaus’ und ‚Wer friert uns diesen Moment ein’ kann man da nur denken – und mit Hans-Jürgen singen. Peter Genkel, der Vorsitzende des Fördervereins des Chores, tritt nach vorn. Auf einen Stock gestützt, mit einem Augenzwinkern, setzt er sich auf einen Stuhl und berichtet von der Freude des Singens, die alle Beteiligten erleben, und der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Chorleiter. Das Leben ist ein Rockkonzert! Kurz lässt der Chor Herrn Scheibe hochleben, und der strahlt! Nun darf auch er endlich reden: Er bereitet das Publikum vor auf das, was kommt. Es soll eine Party werden, und das Publikum darf sich auch so benehmen. Also … grölen, tanzen, mitsingen, Schlüpfer auf der Bühne sind willkommen, und was konsumiert wird …. egal, Hauptsache alle sind gut drauf. Passend dazu kommt der erste Song ‚Ich scheiß auf schlechte Zeiten‘. Und Peter und Susanne haben ihren ersten Einsatz. Toll, was sich diese Beiden und alle nachfolgenden SolistInnen trauen, vor so viel Publikum, immer begleitet vom Chor.

Aber es geht auch anders. Leiser, nachdenklicher. ‚Wie schön Du bist‘ wird von Wolfgang gesungen. Ganz innig und versunken in den Text lässt er das Publikum dieses Liebeslied hören.

Evamarie, die Mutter des Chorleiters, tritt vor. Sie erzählt von ihrer Kindheit in den Kriegs- und Nachkriegsjahren, und von ihrer Freude darüber, dass ihre Enkelkinder beschützt aufwachsen können. Die Überleitung zum nächsten Song ist krass, aber es passt, denn alle wollen doch feiern und lachen. ‚Ne Leiche‘ trägt Evamarie super witzig vor, der Chor begleitet sie und schaut ebenso besorgt und ratlos drein wie die Solistin. Das Publikum hält es nicht mehr auf den Sitzen, es klatscht und singt mit, so oft es geht.

Nun kommt ein magischer Moment: Ruth, das älteste Chormitglied, feiert ihren Abschied mit dem Lied, das sie immer schon im Chor gesungen hat: ‚Die perfekte Welle‘. Es fällt ihr schwer zu stehen, aber sie will nicht nachlassen. Ruth hat schon auf dieser Bühne gestanden, lange bevor es den Chor gab. Das Publikum tobt! Es ist ihr zu wünschen, dass sie auch ohne den Chorgesang noch Momente zum Einfrieren erleben darf.

Nachdenklich geht es weiter: ‚Das Leben‘. Volker und Joanne singen sich wie verliebt an, der Refrain lässt den Chor schwerelos träumen. Und dann wieder etwas zweifelnd: ‚Wovon sollen wir träumen‘. Karin und Axel fragen sich das.

Sylvie tritt heraus. Sie erzählt von ihrem Weg in den Chor, der ein trauriger war, aber sie dann doch ein wenig aus der Dunkelheit ins Licht geführt hat. Auch hier passt das Lied, das sie vorträgt: ‚Traum‘.

Nun wieder ein Song mit vollem Choreinsatz: ‚Dadada‘ singen Erika und Hartwig, den Rest besorgt der Chor. Die Beiden sitzen mit Blick ins Publikum auf Stühlen, ein bisschen wie ein altes Ehepaar, schauen stur geradeaus, warten geduldig auf ihren Einsatz. Ein ‚Du liebst mich nicht, ich lieb Dich nicht‘ kommt sachlich über ihre Lippen, ihre Gesichter zeigen keine Regung. Auch im Chor stehen Männer und Frauen voneinander abgewandt. Sehr sehr gut!

Im folgenden Jugend-Medley werden Songs wie ‚Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein‘ gesungen, was natürlich für viel Gelächter und Stimmung sorgt. Das Publikum hält es mal wieder nicht auf den Sitzen.

Ein Lob an dieser Stelle an die äußerst anpassungsfähige Band, die aus zwei E-Gitarren, Keyboard und Schlagzeug besteht. Bei kleinen Unklarheiten im Chor – sie sammelt alle wieder ein.

Vor der Pause hören wir noch ein fetziges ‚Johnny‘, das Joanne mit ihrer ausdrucksstarken Stimme singt.

Nach einer Stärkung an der Bar oder an der frischen Luft geht es weiter. Jetzt wird gerappt: ‚So ne Musik‘ – Lola, Susanne, Evamarie und Astrid tanzen und singen mit dem Chor, und der ganze Laden feiert!

Herr Scheibe begrüßt uns noch einmal und heizt allen wieder ein, für ‚So schön kaputt‘, einen Song, der immer gültiger wird, je weiter das Alter fortschreitet. Der Chor bringt das mit einem Lachen überzeugend rüber, Lola und Joanne treten dabei vor. Mit ‚Fix you‘ – hier singt Gisa gefühlvoll ein Solo – kommt nachdenkliche Stimmung auf. Aber Hans-Jürgen weiß wieder zu feiern: ‚Viva la vida’ erklingt. Und nochmal ein Liebeslied: In ‚Das Beste‘ schmachten Evamarie und Albrecht sich an, der Chor versteht und unterstützt sie. Und dann …. kommt endlich Emanuela ins Spiel. Hartwig fängt an à la Johannes Heesters, stilgerecht mit weißem Schal beichtet er: ‚Gern hab ich die Frau geküsst‘. Dann mischt Astrid mit. Ein schöner Übergang zu ‚Emanuela‘ folgt, aber die hat einfach keine Lust, da kann er schmollen wie er möchte, wird statt dessen nur vom Chor beschimpft mit dem immer wiederholten …. Lass die Finger von Emanuela. Vielleicht doch das Alter?

Aber nein! In einem kleinen Gedicht trägt Susanne vor, was sie alles vorhat, wenn sie ‚alt‘ ist. Lauter verrückte Sachen, kein Gedanke mehr daran, was Menschen von ihr denken. Und vielleicht, vielleicht – fängt sie jetzt schon mal damit an. ‚Leider geil‘ singt der Chor, während Albrecht, Peter, Astrid und Erika aufzählen, was alles besser nicht, aber lieber doch getan werden sollte.

In einem Party-Medley feiert der Chor sich anschließend selber. Mit Liedern wie ‚Feuerwerk‘ und ‚Auf uns‘ bringt er wieder einmal das Publikum in Mitsing- und Mitklatschstimmung. Wer kann schon schweigen zu diesen Wünschen: Lass uns leben wie ein Feuerwerk!

Mit ‚Zusammen‘ beschwört Moni die Zukunft, die allein, ohne den Chor, nicht vorstellbar ist. Wir sind unzertrennbar!

Den Schluss bildet ein Musik-Medley – eine Liebeserklärung an die Musik. Natürlich fängt es an mit ‚Music was my first love‘. Weiter mit ‚Nur die Musik‘ und ‚Musik sein‘ singt der Chor mit Hans-Jürgen, Erika, Wolfgang und Joanne die bekannten Sätze: In meinem Kopf ist nur Musik …. ein leises Klavier …. da müsste Musik sein …. and it will be my last …. summen alle mit. Als letzter Satz, letzte Töne erklingt: Der Himmel kann warten!

Applaus, Applaus, Applaus! Und natürlich, nachdem die Rufe musikalisch korrekt mit einer Stimme erfolgen, kommt sie, die Zugabe, in Form eines Kiezmedleys. Volker, Moni und Jens unterstützen den Chor mit Tanz und Gesang, und es sind Worte wie Reeperbahn, Elbstrand, Hamburger Schnack und immer wieder Reeperbahn zu hören. Passt!

Ach ja, der Chorleiter. Herr Scheibe dirigiert nicht einfach, nein. Er steht nicht still. Er motiviert, feuert an, springt umher, bringt Ordnung rein, lockt den Chor, singt den Solisten zu, ist selber Chorsänger, hat auch Soloeinlagen. Nur manchmal, wenn aus dem Chor ein Solo gesungen wird, wenn es läuft, stellt er sich beiseite, unbeteiligt scheinbar, aber an der Bewegung seiner Lippen sehen wir, dass er auch jetzt mit jeder Faser dabei ist.

Was für ein toller Abend. Eine perfekte Welle!

Marlies Radtke

Fotos

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