Konzert

Mädelspower mit Gefühl – ein Heimspiel

Der Mädchenchor Hamburg begeistert in der Kulturkirche Altona

Der von Gesa Werhahn 2003 gegründete Mädchenchor hat ca. 200 Mitglieder, die sich altersgemäß in 4 Gruppen staffeln. Schon im Alter von 4 Jahren können Mädchen hier stimmlich und musikalisch gefördert werden. Der Chor tritt in verschiedenen Kirchen, auch in der Laeiszhalle, der Staatsoper und dem Rathaus auf. Er unternimmt weltweite Konzertreisen, nimmt an Chorwettbewerben teil und hat auch diverse Preise gewonnen, so zum Beispiel den 2. Preis auf Bundesebene beim 10. Deutschen Chorwettbewerb in Freiburg im Breisgau 2018. Heute singen zunächst der Konzertchor, dann der Jugendchor, beide mit jeweils ca. 40 Sängerinnen. Dazwischen hören wir Jacob Deiml mit einer Eigenkomposition ‚Herr Eichendorff’ auf dem Flügel. Nach einer Pause noch einmal der Konzertchor, bevor beide Chöre zusammen einige schwungvolle Lieder singen. Das gesamte Programm wird von den Mädchen auswendig vorgetragen – bewundernswert!

Die schöne Kulturkirche in Altona ist gut gefüllt, der Altarraum in rotes Licht getaucht. Die Sängerinnen ziehen ein, schweigend und still, nach einer für den Zuhörer unbekannten Ordnung stellen sie sich rund um die Bänke im Kirchenraum auf, strahlen eine wohltuende Ruhe aus. Wie immer einheitlich gekleidet in schwarze Hosen und hübsche rote Blusen, stehen sie vor uns. Ein magischer Moment!

Der erste Teil ist bestimmt von ruhigen, zum Teil religiösen Liedern. Die Mädchen stimmen leise das erste Lied an: ‚O du stille Zeit‘ von Caesar Bresgen, einem österreichischen Komponisten. Die Aufstellung der Stimmen ist gemischt, was einen ganz besonderen Klang erzeugt. Zu Beginn ertönen Klänge wie ein Echo, fern und doch nah, bevor zum Text gesungen wird. Ein einheitlicher, ruhiger Klang erfüllt den Raum, gibt das Gefühl, in wohltuender Einsamkeit in der Dunkelheit auf einer Wiese am Berg zu sitzen, fern vom Trubel der Stadt und der Menschen, und den Engeln zu lauschen.

Stillt stellen sich die Mädchen nun hinter dem Altar auf. Wir erfahren, dass die Gründerin und Chorleiterin Gesa Werhahn erkrankt ist und Elena Swoboda, die für die Stimmbildung zuständig ist, heute den Chor leitet. Das erste Lied jedoch wurde von Katharina, einem Chormitglied, dirigiert. Sie bekommt verdienten Applaus!

Es folgen Lieder von Arvo Port, einem estnischen Komponisten (Zwei Beter), dem franko-flämischen Komponisten Josquin Desprez (In te Domine speravi), Max Reger (Im Himmelreich ein Haus steht) und Christoph Schönherr (Vor dem. Sturm), eine Komposition aus dem aktuellen Jahr 2022. Der Chor singt ruhig und andächtig, immer mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht, und keine Anstrengung ist ihm anzusehen. Als die Mädchen abziehen, werden sie von großem Applaus und Begeisterungsrufen begleitet.

Nun spielt Jacob Deiml seine Eigenkomposition. Das Stück bringt uns weg von aller Ruhe des Chorgesanges. Es vermittelt den Eindruck eines aufgewühlten Herrn Eichendorffs und wird sehr ausdrucksstark und auch hier ohne Notenvorlage vorgetragen.

Jetzt hat der Jugendchor seinen Auftritt, hier singen Mädchen im Alter bis zu 14 Jahren. Die Jugend ist dem Chor anzumerken, fröhlich lachend stellen sie sich auf. Ihr Repertoire ist auch weltlicher Art. Zunächst hören wir ‚Keshet l’vana‘, eine ruhige Komposition des israelischen Komponisten Josef Hadar, bei der auch zwei Solistinnen auftreten. Es folgt ein fröhliches ‚Gloria‘ des schwedischen Komponisten Per Gunnar Peterson. Hier ist der erste Körpereinsatz gefragt: Die Mädchen klatschen und stampfen zum Text, was den Zuschauern sichtlich Spaß macht. Es folgt ein Lied von Christian Lahusen vom Wiesel, das auf einem Kiesel sitzt. Beim anschließenden ‚Mu süda, Ärka üles‘ (mein Herz, wache auf), einer traditionellen Weise aus Estland, umkreist der Chor die ZuhörerInnen. Die Komposition wird von dem bekannten evangelischen Kirchenlied ‚Wach auf, mein Herz, und singe) unterlegt, wie im Hintergrund gesungen klingt die Melodie wunderschön durch. Nun wird es lebhaft: ‚Robin Hood‘ vom englischen Komponisten Tomas Ravenscroft, von Schellen, Trommeln und Tanz begleitet, eine irisch anmutende, sich immer wiederholende Melodie. Aus Malaysia kommt das anschließende ‚Wau Bulan‘. Die Mädchen singen im Schneidersitz, sie sehen aus wie kleine Buddhas. Zum Rhythmus der Trommel klatschen sie, bewegen im Gleichklang die Arme, eine Sängerin befeuert durch Einrufe (hey, hey) den eher ruhigen, gleichbleibenden Gesang.

Zum Schluss wird es nachdenklich. Zu hören ists das bekannte ‚Kein zurück‘. Geschrieben wurde das Lied von Axel Ermes und dem Wolfsheim-Duo Peter Heppner und Markus Reinhardt. Die Mädchen singen es still, nachdenklich, ein bisschen wie die großen Chorschwestern. Das Publikum ist begeistert!

Weiter geht es wieder mit dem Konzertchor, und auch er kann weltlich! Es beginnt mit einer Komposition der Finnin Mia Makaroff, ‚Spes‘, Hoffnung. Eine eher ruhige Musik, die an fremde Volksmusik erinnert. Auch das folgende ‚Baba Yetu‘ des US-amerikanischen Komponisten Christopher Tin klingt ungewohnt. Viele werden diese Musik gekannt haben, er schrieb sie 2005 für das Computerspiel ‚Civiilization IV’. Es gibt große Gesangsbögen und immer wieder den Refrain zum Titel, auch Trommeln kommen zum Einsatz, wodurch der Rhythmus schön unterstützt wird. Ein ruhiges, andächtiges Stück, ‚When I need a friend‘ von Chris Martin, und ebenso von Ryan O’Neal das Lied ‚North‘, bei dem sich der Refrain so gut einprägt: ‚give us bread, give us salt, give us wine‘, lassen nachdenklich werden und träumen. Es tut gut, den Sängerinnen zuzusehen, die still stehen und so inbrünstig singen.

Zum Schluss kommt noch einmal Bewegung in den Chor: ‚Ta na Solbici‘ heißt der Song von Samo Vovk, einem slowenischen Künstler. Es fängt an mit ruhigem Gesang, der sich steigert und vom Chor mit Aufstampfen und Klatschen unterstützt wird. Zwischendurch schweigt die Stimme, die Hände und Füße sind die Instrumente. Das Ganze endet wie mit einem lauten Knall. Tosender Applaus hierfür!

Nun mischen sich die Großen unter die Kleinen. Die beiden Chöre verteilen sich im gesamten Kirchenraum. Das Dirigat wird nun noch einmal von Katharina übernommen Wir hören ein munteres Gezwitscher, das perfekt von den Stimmen der Sängerinnen erzeugt wird. So muss sich Regenwald anfühlen! Das Lied ‚Regenvogel‘ von Wolfgang und Margarete Jehn wird so eindrücklich interpretiert, dass kein Zweifel am Titel besteht. Summend kehren die Mädchen auf die Bühne zurück. Den Abschluss bildet der Song ‚What happens when a woman takes power‘ von Alexandra Olsavsky. Hier wird gesungen, in immer gleichbleibender Melodie und dem Titel als Text, es wird wieder gestampft und geklatscht, es ist eine einzige Freude. Und wir können sehen und hören, was passiert, wenn Frauen die Macht übernehmen: Etwas ganz Großes!

Das Publikum dankt mit standing ovations, mit langem Applaus und begeisterten Rufen. Eine Zugabe ist fällig, finden alle. Der Chor fährt noch einmal auf, singt, tanzt, klatscht und zeigt, wie vielseitig er ist. Eine großartige Aufführung!

Marlies Radtke

Fotos

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